Am Freitag beginnt die digitale 22. Ausgabe des poesiefestival berlin. Unter dem Motto Da liegt Europa untersucht das Festival vom 11. bis zum 17. Juni 2021 die Poesie Europas in ihrer Formen- und Sprachenvielfalt und baut trotz Pandemie poetische Brücken über den Kontinent. Gemeinsam mit 150 KünstlerInnen aus rund 40 Ländern wird auf der Festivalwebsite poesiefestival.org ein umfangreiches digitales Programm mit Lesungen, Gesprächen, Konzerten und Workshops auf die Beine gestellt.
Kurt Tucholsky schrieb 1932: „Da liegt Europa. Wie sieht es aus? Wie ein bunt angestrichnes Irrenhaus“ Gemäß diesem Motto möchte das 22. poesiefestival berlin über die Poesie und ihr Material, die Sprache, die politische, kulturelle und sprachliche Vielseitigkeit Europas ambivalent betrachten, ihre Schmerzstellen aufspüren und gemeinsame Nenner finden.
Diese thematischen Knotenpunkte des Festivals können schon vor Festivalbeginn in 70 schriftlichen Interviews, Essays und Anthologiebeiträgen, die auf der Festivalwebsite kostenlos abrufbar sind, tiefergehend nachvollzogen werden.
Die baskische Dichterin Teresa Irastortza beispielsweise beschreibt im Interview das Verhältnis von Politik und Sprache folgendermaßen:
„Dennoch sehe ich das Schreiben nicht als einen politischen Akt an, sondern als ein Medium, Politik von der Forderung nach Schaffensfreiheit her zu begreifen: jene Freiheit, all das vorzuschlagen und zu äußern, was wir glauben und denken und, wenn es denn nötig ist, sogar Stile, Gattungen und Thematiken zu erschaffen und zu verfolgen, die es noch nicht gegeben hat, Nuancen wieder zu gewinnen, abweichende Perspektiven zuzulassen.“ Weitere Schlüsselzitate aus den Interviews sind an dieser Stelle downloadbar.
Schon vor Festivalbeginn sind alle FestivalbesucherInnen außerdem eingeladen, gemeinsam an einem kollektiven Kettengedicht zu schreiben. Ausgehend von Kurt Tucholskys „Europa“ können die BesucherInnen bis zum Ende des Festivals in einem geteilten Online-Dokument die Zukünfte des Kontinents erdichten.
Am 11. Juni um 19.45 Uhr eröffnen Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa des Landes Berlin, und Barbara Gessler, Head of Unit Creative Europe, Europäische Kommission, dann mit filmischen Grußworten das Festival. Um 20 Uhr feiert Weltklang – Nacht der Poesie Premiere. DichterInnen aus allen Teilen der Welt lesen, singen und performen in ihren Muttersprachen. In diesem Jahr: Ichiko Aoba (JPN), Ben Lerner (USA), Hannah Lowe (GBR), Valzhyna Mort (BLR/USA), Chus Pato (Galicien/ESP), Marieke Lucas Rijneveld (NLD), Marko Tomaš (BIH), Peter Waterhouse (AUT) und Judith Zander (DEU).
Das vollständige Festivalprogramm ist online abrufbar auf poesiefestival.org. Die Veranstaltungen sind über eine Paywall zugänglich: Tickets zum Preis von 3€ sowie Festivalpässe für nur 19€ ermöglichen ab Festivalbeginn zwei Monate lang Zugang zu den Produktionen.
Das sind die Festival-Highlights im Überblick:
FR 11.6. | 20.00
WELTKLANG – NACHT DER POESIE
In der vielstimmigen Eröffnung des poesiefestival berlin zeigt sich der Reichtum der Gegenwartslyrik, ihre inhaltliche Vielfalt, die Bandbreite ihrer Stile. DichterInnen aus allen Teilen der Welt lesen, singen und performen in ihren Muttersprachen.
Schriftlich geführte Poesiegespräche mit den DichterInnen werden auf der Festivalwebsite veröffentlicht.
SA 12.6. | ab 14.00
FORUM: Europas Vielfalt hat keine Haut
Der Sprachenreichtum Europas wird als Ausgangspunkt genommen, um sich der kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Realität des Kontinents von sprachlicher Seite zu nähern. Can Dündar hält einen Vortrag zur europäischen Multikulturalität und -sprachlichkeit. Zur anschließenden Diskussion über Ambivalenz und politische Dimension von Vielsprachigkeit sind u.a. VertreterInnen der Europäischen Kommission geladen. Im Anschluss lesen DichterInnen ‚kleiner‘ Sprachen ihre Lyrik und sprechen über das Verhältnis ihrer Sprache zu den ‚großen‘ Sprachen.
SA 12.6. | 20.00
MIRA MANN UND ROSACEAE
Sowohl Mira Mann (DEU) als auch das Musikprojekt Rosaceae von Leyla Yenirce (DEU) arbeiten ästhetisch wie inhaltlich mit Grenzen, Figurationen des Widerstands sowie klanglichen Aspekten verschiedenster Dominanzstrukturen. An diesem Abend präsentieren und diskutieren sie ihre audiovisuellen Produktionen.
SO 13.6.–DO 17.6. | jeweils 18.00
SPRACHARCHIPELE I–V
Die Vielsprachigkeiten fünf europäischer Räume – Spanien, Post-Jugoslawien, das Baltikum, Rumänien und das Kaspische Meer – werden hinsichtlich Sprachenpolitik und -nationalismus, Identität und Dichtungstradition in fünf Veranstaltungen in den Fokus gerückt. Zur thematischen Vertiefung sind schriftliche Interviews mit den AutorInnen in Originalsprache und deutscher Übersetzung auf der Festivalwebsite abrufbar.
SO 13.6. | 20.00
BERLINER REDE ZUR POESIE: Johannes Jansen
Johannes Jansens (DEU) Rede zur Poesie mit dem Titel „Ergebnis einer Isolation“ ist ein Text in 34 Prosaminiaturen, in denen eine Poetik des Ausnahmezustandes entworfen wird. Die Rede erscheint auf Deutsch und in englischer Übersetzung im Wallstein Verlag.
MO 14.6. | 20.00
UNERHÖRTE POESIE: Das Schwarze Europa
Initiiert vom Haus für Poesie erscheint im Sommer 2021 im Verlag Das Wunderhorn eine Anthologie, die 32 schwarze europäische DichterInnen in deutscher Übersetzung versammelt. Vier von ihnen – Johannes Anyuru (SWE), Radna Fabias (NLD), Roger Robinson (GBR) und Victoria Adukwei Bulley (GBR) – und Herausgeber Fiston Mwanza Mujila (AUT) kommen in einem Gespräch über Poesie und die Bedeutung von Schwarzsein zusammen und lesen ihre Gedichte.
DI 15.6. | 20.00
VERSSCHMUGGEL BELARUS – DEUTSCHLAND
In Anbetracht der aktuellen politischen Situation erscheint es wichtiger denn je, belarussische DichterInnen im Ausland möglichst laut werden zu lassen und bilaterale Beziehungen zu intensivieren – gerade auf anderen Ebenen als der politischen.
Sechs deutschsprachige und sechs belarussische DichterInnen tauchen ein in die poetisch und kulturell reichen und mutigen Verse ihres Gegenübers. Diese werden in die jeweils andere Sprache und den kulturellen Kontext „geschmuggelt“ – mit Hilfe interlinearer Übersetzungen und SprachmittlerInnen.
MI 16.6. | 20.00
QUEER-BODIED VOICES
Während in vielen Ländern Europas die Akzeptanz nicht-heteronormativer Sexualitäten und Identitäten wächst, nehmen andernorts im gleichen Maße gesellschaftliche und politische Diskriminierung zu. Queere Dichter*innen – Jay Bernard (GBR), Eduard Escoffet (ESP), Judith Kiros (SWE), Jacek Dehnel (POL), Anna Hetzer (DEU) | und Ricardo Domeneck (BRA) – sprechen über Körper, Poesie und Identität.
DO 17.6. | 20.00
DICHTERABEND #8: ABENDMAHL DER ABWESENDEN
Die DichterInnen Yoko Tawada (JPN/DEU), Marion Poschmann (DEU), Ursula Krechel (DEU), Ulf Stolterfoht (DEU) und Jan Wagner (DEU) lesen ihre Texte in einer Installation von Chiharu Shiota (JPN/DEU). MusikerInnen reagieren auf diese Poesie und interagieren mit ihr, so dass die Kunstformen, die in der Pandemiezeit getrennt sind, wieder zusammenkommen.
FR 11.6.– DO 17.6.2021
22. poesiefestival berlin: Da liegt Europa
online auf poesiefestival.org
Tickets: 3€, Festivalpass: 19€
Die Preise der Angebote der Poetischen Bildung können abweichen.
PressevertreterInnen bitten wir, sich unter presse@haus-fuer-poesie.org zu akkreditieren.
Jeden Sommer verwandelt sich Berlin für zehn Tage in eine Hochburg der Poesie. 150 DichterInnen und KünstlerInnen aus aller Welt kommen zum poesiefestival berlin und präsentieren aktuelle Tendenzen zeitgenössischer Dichtkunst. Das Festival macht Poesie in ihrer ganzen Formenvielfalt erlebbar und zählt bis zu 13.000 BesucherInnen jedes Jahr. Wie schon 2020 findet auch in diesem Jahr das Festival online statt.
Das 22. poesiefestival berlin ist ein Projekt des Hauses für Poesie in Kooperation mit der Akademie der Künste. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds und des Auswärtigen Amts. Mit freundlicher Unterstützung durch die Alfred Ritter GmbH & Co. KG und das Goethe-Institut. Präsentiert von Der Freitag, taz, BÜCHERmagazin, tip Berlin/ EXBERLINER, rbbKultur, Deutschlandfunk Kultur, ASK HELMUT und SINN UND FORM.