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Interview mit Teodora Coman

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Spracharchipel III: Minderheiten, Sprachen und Repräsentationen in Rumänien

Alexandru Bulucz: Welche Rolle spielt für euer Schreiben sprachliche und kulturelle Diversität? Könnt ihr konkret sagen, wie diese Diversität, wie „nichtrumänische“ Einflüsse in euer Schreiben eingehen? Spielt die Praxis der Übersetzung eine Rolle? Spielt das Lesen eine Rolle? Spielt die digitale und globalisierte Welt eine Rolle? Welche Rolle spielen dabei Zeitschriften wie „Poesis International“ und andere? 

Teodora Coman: Ich würde sagen, dass jeder meiner Texte eine ungetreue Übersetzung oder eine bewusste Verdrehung der Texte anderer AutorInnen ist, eine Reaktion auf gewisse Lektüren, eine Umschreibung auf eigene Weise. Eine kreative Mischung aus Annäherung und Aneignung [‚apropiere’ heißt auf Rumänisch sowohl ‚Annäherung’ als auch ‚Aneignung,’ A.d.Ü.], aber auch eine Übersetzung aus einer Sprache in eine andere ob der Tradierung des Originals [‚trădare’ heißt auf Rumänisch auch ‚Verrat’, A.d.Ü.], im Sinne der lateinischen Etymologie des Verbs ‚trado’. Ich glaube nicht, dass es so etwas gibt wie einen Text, der aus der Unschuld einer reinen Inspiration hervorgeht. Ich glaube, dass das Übersetzen ein Wesenszug nicht nur der Literatur, sondern des Denkens schlechthin ist. Im Akt des Verstehens wird ein Sinn dechiffriert, was unmöglich wäre ohne Lektüre und Wiederlektüre. Ein Beispiel: Ein guter Lehrer ist, wer in seiner eigenen Sprache Informationen schülergerecht zu übersetzen versteht, aus einem wissenschaftlichen Register in ein zugängliches, kolloquiales. So würde ich sagen: Übersetzen ist nicht nur wichtig, es ist sogar eine Voraussetzung des Schreibens, was mich angeht. Ohne Übersetzen wären wir zu einem poetischen, sprachlichen und kulturellen Provinzialismus verdammt. Ich habe keine „Angst vor dem Einfluss“, im Gegenteil, meine Einflüsse zeigen sich an den englischsprachigen Verseinschüben, die ich von bekannten Autoren, aus gern gehörten Liedern oder aus sonstigen unpoetischen Quellen übernehme. Ich glaube nicht an poetische Reinheit und gebe ein gutes Beispiel ab für einen rumänglisierten [aus ‚Rumänisch’ und ‚Englisch’, A.d.Ü.] Menschen, sowohl in der alltäglichen Kommunikation als auch in Texten.

Alexandru Bulucz: Gibt es eine Wir-Solidarität unter Schriftstellern in Rumänien? Ein Telos der Gerechtigkeit? Als ich über Facebook die Demonstrationen in Rumänien 2018 verfolgte (Stichpunkt: „#Rezist! Poezia“), kam es mir vor, als sei die poetische Wir-Solidarität gegeben. 

Teodora Coman: Ja, ich habe Solidarität mit gewissen Dichtern empfunden, ich würde es jedoch nicht wagen, zu behaupten, es handele sich dabei um das Merkmal einer Gruppe, einer Branche. An der Institutionalisierung dieser Dimension hat insbesondere das PEN-Zentrum Rumänien Anteil. Ich würde vielmehr auf der sozialen Solidarität beharren, auf der Erfahrung, auf die Straße zu gehen, wenn jegliche individuellen Ansprüche verschwinden. Die täglichen Proteste im Rahmen der Bürgerbewegung „Vă vedem“ [Wir beobachten euch, A.d.Ü.] haben mein soziales und politisches Bewusstsein geschärft und mich zur Niederschrift meines Bandes „soft guerilla“ inspiriert.

Zur Solidarität eines ‚Wir’ kam es sowohl zwischen meinen Mitmenschen, den Mitprotestierenden, und mir als auch in meinem Schreiben, ohne dass ihr sozioprofessioneller Status eine Rolle dabei gespielt hätte. Ich komme allerdings nicht umhin, Radu Vancu zu erwähnen, einen der wichtigsten Gegenwartsdichter und eine scharfsichtige öffentliche Stimme, die sich stets für Rechtsstaatlichkeit und eine unabhängige Justiz eingesetzt hat. 

Teodora Coman (c) Camelia Toma

Alexandru Bulucz: Was versteht ihr unter politischem Schreiben? Kann ein solches Schreiben noch eine gesellschaftliche Durchschlagskraft haben? 

Teodora Coman: Politisches Schreiben ist engagiert, kritisch, unbequem, eine Reaktion auf die in der Gesellschaft lauernden Gefahren und vor allem auf Amtsmissbrauch – allerdings weniger anerkannt, zumindest in Rumänien, wo noch über apolitische Kunst diskutiert wird. Ich glaube, dass Kunst selbst dann politisch ist, wenn sie sich gar nicht ausdrücklich vornimmt, es zu sein. Und wenn die freie Meinungsäußerung es selbst ist, die auf dem Spiel steht, wie in der Türkei oder in Belarus, dann kann politische Kunst eine große soziale Strahlkraft gewinnen, dann animiert sie zu großen Protestbewegungen. 

Alexandru Bulucz: Welchen in Rumänien lebenden Autor, welche Autorin würdet ihr einer deutschen Leserschaft ans Herz legen? Wer sollte übersetzt werden? Und warum?

Teodora Coman: Schwere Frage! Ich glaube, dass Ștefan Manasia die Tragweite und Komplexität zu einer visionären und interkulturellen Dichtung mitbringt, in der der Mensch nostalgisch die eigenen Entfremdungen und Hybridisierungen überlebt, heimisch in den Enklaven einer universellen Schönheit, die jeden Leser aufrüttelt, unabhängig von Kultur- und Sprachraum.  

Aus dem Rumänischen übersetzt von Alexandru Bulucz.