Cecilia Dreymüller: Glaubst du, dass es unter den im spanischen Staat lebenden Dichtern und Dichterinnen ein Bewusstsein für sprachliche Vielfalt gibt? Und würdest du sagen, dass die sprachliche Vielfalt Spaniens dein Schreiben beeinflusst?
María Callís Cabrera: Ich glaube, dass wir, die in Minderheitensprachen schreibenden Dichter und Dichterinnen, uns sozusagen zwangsweise der im spanischen Staat existierenden Sprachenvielfalt bewusst sind, das heißt, wir sind uns ihrer bewusst, weil wir (nicht nur als DichterInnen, sondern auch als SprecherInnen in unserem alltäglichen Leben) unter Vorurteilen, den Sprachideologien und der diskriminierenden Politik leiden, die uns ganz direkt betreffen. Der spanische Staat hat es auf eine linguistische, kulturelle und politische Vereinheitlichung abgesehen, und das zwingt die NutzerInnen der in diesem Staat gesprochenen minorisierten Sprachen in eine dauerhaft minderwertige und diskriminierte Position. Als Dichterin betrifft mich das nicht nur insofern, als es meinen Alltag beeinflusst, sondern auch dahingehend, als meine Sprache mich definiert, denn meine Sprache ist meine Grenze: Und das Katalanische, also meine Sprache, ist eine Sprache, die leidet, die bis heute verfolgt und bestraft worden ist und wird.
Cecilia Dreymüller: Im Falle, dass du eine zweisprachige Autorin bist: Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren an deiner Schreibpraxis geändert? Im Falle, dass du nicht zweisprachig bist: Hat sich dein Blick auf die anderen Sprachen Spaniens in den letzten zwanzig Jahren geändert? Nimmst Du Bereicherung oder Ausschluss wahr?
María Callís Cabrera: Ich habe schon immer großes Interesse und auch eine Art Solidarität unter den DichterInnen wahrgenommen, die in den minorisierten Sprachen des spanischen Staats schreiben. Mir fällt auf, dass dies in der Weise angewachsen ist, wie – erfreulicherweise – auch die Fördermittel für diese Sprachen und das Bewusstsein der längst fälligen politischen Notwendigkeit ihrer Bewahrung zugenommen haben: Es gibt mehr Verlage, mehr Poesiefestivals, mehr Bereitschaft zu Übersetzen sowie einen vermehrten Wunsch, in andere Sprachen übersetzt zu werden, und dies von Seiten der NutzerInnen wie von Seiten der Institutionen her. Das Interesse am Katalanischen seitens der Kastilisch-SprecherInnen, die Poesie lesen und selbst verfassen, hat, glaube ich, ebenso zugenommen, obgleich ich der Auffassung bin, dass dieses Verhältnis, jedenfalls in Katalonien, immer noch nicht zufriedenstellend ist. Wir Sprachgemeinschaften (die katalanische und die kastilische, Anm. d. Übers.) sind jeweils wie Blasen gewesen, historisch gesehen haben wir uns der anderen gegenüber wenig aufmerksam und offen gezeigt.