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Interview mit Sofía Castañón

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Spracharchipel II: Sprachenlust und Sprachenkampf in Spanien

Cecilia Dreymüller: Glaubst du, dass es unter den im spanischen Staat lebenden Dichtern und Dichterinnen ein Bewusstsein für sprachliche Vielfalt gibt? Und würdest du sagen, dass die sprachliche Vielfalt Spaniens dein Schreiben beeinflusst? 

Sofía Castañón: Ich denke, dass es unter den Autorinnen meiner Generation – ich wage es sogar zu behaupten: mehr als unter den Autoren, auch wenn das noch ein Streitpunkt ist – ein Interesse für die sprachliche Vielfalt gibt, die zwar einiges mit Sprachen, doch auch mit Sprachakzenten und Tonfällen zu tun hat. Dazu kommt, dass ich mich eher für weibliche Stimmen interessiere sowie überwiegend für solche, die sich in Sprachen jenseits des Kastilischen äußern. 

Cecilia Dreymüller: Im Falle, dass du eine zweisprachige Autorin bist: Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren an deiner Schreibpraxis geändert? Im Falle, dass du nicht zweisprachig bist: Hat sich dein Blick auf die anderen Sprachen Spaniens in den letzten zwanzig Jahren geändert? Nimmst Du Bereicherung oder Ausschluss wahr? 

Sofía Castañón: In den letzten zwanzig Jahren bin ich zu einer zweisprachigen Autorin geworden, ja bin im aktiven Sinn zu einer nicht nur zweisprachigen Autorin geworden, sondern auch zu einer ‚Taucherin’ auf der Suche nach Dichterinnen, die in den unterschiedlichen Staatssprachen schreiben, und sogar in solchen, deren Sprachstatus debattiert wird.

Cecilia Dreymüller: Verfolgst du (poetische) Veröffentlichungen, die in anderen (Staats-)Sprachen verfasst sind? Findest du, dass die Übersetzungen in Spanien den Sprachaustausch im spanischen Staat auf eine gerechte Weise fördern? 

Sofía Castañón: Ich versuche, darüber informiert zu sein, was auf Galicisch veröffentlicht wird; der Nähe zu dieser Sprache und meiner Sprachkompetenz wegen fällt mir das nicht schwer. Was das Katalanische oder Aragonesische angeht, ist es schon etwas komplizierter (insbesondere mangelt es an Vertrieb und an Veröffentlichungen im Bereich des Aragonesischen). Dann ist es wirklich ein Riesenjammer, dass wir so viel von dem verpassen, was auf Baskisch, also auf ‚Euskera’ geschrieben wird, wovon wir weder erfahren noch Übersetzungen vorliegen haben. Dem Reichtum und dem Talent derer, die in anderen Sprachen als dem Kastilischen schreiben, wird so keine Rechnung getragen. Und doch glaube ich, dass sich dies im letzten Jahrzehnt etwas gewandelt hat.

Cecilia Dreymüller: Ist das Schreiben in deiner Muttersprache ein politischer Akt? Inwiefern? 

© Juan Tizón

Sofía Castañón: Schreiben ist ein politischer Akt, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht. Es ist eine Einmischung und somit der Versuch, etwas im Leser oder in der Leserin zu bewirken. In meinem Fall, der bedeutet, dass die Sprache, in der ich schreibe, rechtlich und verwaltungsmäßig eine niedere Rolle einnimmt und ihren SprecherInnen Rechte vorenthalten werden, ist es sogar ein militanter Akt. Ich gebe zu, dass ich nicht von Anbeginn so gedacht habe. Ich habe zu Beginn auf Asturisch geschrieben (ich hatte bereits zwei Gedichtbände veröffentlicht), weil ich schlicht Lust dazu hatte. Obgleich das zu tun, wozu man eben Lust hat, auch bedeutet, dass dahinter ein Wille steckt. Es gibt keine Geste, sei sie nun bewusst oder unbewusst, die frei von politischer Intention wäre.

 

Übersetzt von Rike Bolte.