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Essay von Eduard Escoffet

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Queer-Bodied Voices

Ich glaube, dass es, wenn wir von Queer-Poetiken reden, nicht nur um jeweils entsprechende Themen und Fragen geht, sondern ebenso darum, Literatur auf eine andere Weise zu begreifen. Wenn man sich an die Ränder der Gesellschaft begibt, reicht es nicht, sich schlicht mit anderen Themen zu befassen, es steht auch an, sich für dissidente Formen zu interessieren oder diese auszuprobieren, selbst dort, wo man es mit Traditionen zu tun bekommt. Meiner Ansicht nach gehören Inhalt und Form in der queeren Poesie unweigerlich zusammen. Ich war schon immer der Meinung, dass man keine Revolution hinbekommt oder keinen Bruch vollziehen kann, solange man Gegebenes nachahmt oder klingt wie alle Welt. Auf die eine oder andere Weise muss queere Poesie sich nicht nur mit bestimmten Themengebieten befassen und die queere Community im weitesten Sinne in Augenschein nehmen, sie muss auch die Produktions- und Schaffensarten von Dichtung in Frage stellen. 

Was die queere Tradition angeht, so würde ich sagen, dass in meinem eigenen Werk zwei wichtige Bezugsfiguren oder gar Schlüsselfiguren auftauchen. Zum einen ist da Gertrude Stein. Von ihr stammt mein Interesse für die Wiederholung, die Variation, ja letztlich das Anliegen, eine labyrinthische, schwer zu durchdringende Textstruktur zu schaffen. Von ihr habe ich außerdem die Vorstellung, im Abseits der übrigen literarischen Tradition zu stehen; diese Haltung von Stein, sich stets am Rand der literarischen Tradition zu bewegen, mit einer sehr klaren Haltung allein dazustehen. Die andere für mein Werk ebenso wichtige Bezugsfigur ist John Giorno. Von ihm habe ich all das übernommen, was mit Atmung zu tun hat, die Arbeit mit dem Rhythmus, am Text, und vor allem die Idee, Text und Atmung zu verbinden. Atmung ist für mich insgesamt ein sehr wichtiges Thema. Zudem würde ich sagen, dass John Giorno derjenige war, der mir beigebracht hat, dass Dichtung, queere Haltung und Aufruhr zusammengehören können und dass der Kampf um das poetische Experiment gemeinsam mit dem Kampf um Rechte ausgetragen werden kann. 

In Barcelona habe ich es immer vorgezogen, mich in der anarchistischen Punkszene der Stadt zu bewegen, eine Szene, in der alle Welt willkommen ist, ganz unabhängig davon, wie du dich kleidest, dich verhältst oder welche auch immer deine Vorlieben sind. Ich glaube, in diesen dissidenten Räumen fühle ich mich einfach am wohlsten. Ich habe schon immer auf die eine oder andere Weise die kapitalistische Betrachtung der LGTBI-Bewegung abgelehnt. In Bezug auf die formalen Fragen der Literatur bin ich der Meinung, dass es, wenn man sich am Rand bewegt, keinen Sinn hat, sich auf das Mehrheitssystem einzulassen oder es gar nachzuahmen, sondern dass man vielmehr ein anderes zu schaffen, gegen den Strom zu schwimmen hat. Insofern haben in meinem Fall queere Poetik und Antikapitalismus einiges miteinander zu tun. 

In vielen meiner Texte spreche ich mit Vorliebe über Begehren und über den Körper als jenen heiligen Raum, über den niemand walten kann. Das Begehren definiert uns, führt uns zur Singularität. Auf die gleiche Weise, wie jede Stimme einzigartig und anders ist, ist auch jedes Verlangen und alles, was je in einem Körper geschieht, einzigartig und anders. Daher rührt die Auffassung, dass das Verlangen uns zu bestimmen in der Lage ist, dass unsere Vorlieben uns zu bestimmen in der Lage sind, und so hat es mich immer schon interessiert, über den Körper zu sprechen, und dieses ganze Reich, das sich von der Haut bis ins Innere erstreckt, auf das niemand zugreifen kann, solange du nicht dein Einverständnis dazu gibst. In der Tat ist dies, meiner Meinung nach, unser letzter politischer Kampf, denn in allen Lebensbereichen haben wir bereits nachgegeben, Zugeständnisse gemacht, doch da ist ein Bereich, bei dem wir weder Zugeständnisse machen noch aufgeben können, nämlich jener des Vergnügens, des Begehrens und aller sich im Inneren abspielenden Dinge. Ich glaube, es war Paul Valéry, der sagte, dass es nichts Tiefgründigeres als die Haut gibt. Von der Haut bis ins Innere erstreckt sich dieser Raum, der mit Begehren und der alles in allem auch mit der physischen, realen Erkundung des Sex zu tun hat. Auf die eine oder andere Weise habe ich in meiner Dichtung immer Identität, Begehren und Sex zusammenbringen wollen, und dies ist auch eines der Themen, um die es in „Cos endins / Inside the body“ geht, jenem Film, den ich im Jahr 2019 zusammen mit Gianluca Abbate gedreht habe und der just vom Körper und vom Begehren her über Identität spricht. 

Zweifellos bedeutet queer zu sein, aus der Herde ausgeschlossen zu sein. Damit wird jede Vorstellung von Zugehörigkeit, ja von Mitgliedschaft bezogen auf eine nationale Gemeinschaft oder auch eine literarische Szene oder Tradition hinfällig, sie hat überhaupt keinen Sinn. Andererseits mache ich mir Gedanken darüber, dass dies eine Sache ist, eine andere aber, auf persönliche Anliegen sowie auf dich definierende Dinge wegen der Globalisierung oder Vermarktung zu verzichten. Ich war schon immer der Meinung, dass es sehr viel einfacher für mich und so viele andere Dichter wäre, uns auf Englisch oder in irgendeiner anderen markttauglicheren, einer für einen größeren Markt tauglichen Sprache auszudrücken. Doch gleichzeitig denke ich, wie ich bereits an anderer Stelle formuliert habe, dass die Tatsache, sich im Abseits der Gesellschaft aufzuhalten, auch beinhaltet, die Idee des Markts, des wirtschaftlichen Interesses sowie die Vorstellung in Frage zu stellen, die Globalisierung, die dominanten Sprachen und Systeme hätten auch noch die Ränder zu dominieren. Ich denke, dass man, wenn man sich erstmal am Rand aufhält, alles in Frage zu stellen hat. Und dass man gleichzeitig zu begreifen hat, dass in derselben Weise, wie all diese Dinge den gleichen Wert oder eben keinen Wert haben, dass in der gleichen Weise, wie alle Personen die gleichen Rechte haben, jedwede Ausdrucksweise, Sprache, jedwede Art und Weise, Literatur zu begreifen, ebenso gleich viel wert ist und ebenso gut ist wie jede andere auch. 

Aus dem Katalanischen übersetzt von Rike Bolte. 

Zum Projekt QUEER-BODIED VOICES.