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Interview mit Chus Pato

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Spracharchipel II: Sprachenlust und Sprachenkampf in Spanien

Cecilia Dreymüller: Glaubst du, dass es unter den im spanischen Staat lebenden Dichtern und Dichterinnen ein Bewusstsein für sprachliche Vielfalt gibt? Und würdest du sagen, dass die sprachliche Vielfalt Spaniens dein Schreiben beeinflusst? 

Chus Pato: Die auf Kastilisch ebenso wie die in anderen Sprachen des spanischen Staates schreibenden Dichter und Dichterinnen haben schon immer ein Bewusstsein für Sprachenvielfalt gehabt. Nun ist es aber so, dass es nicht das Gleiche ist, Bewusstsein für etwas zu haben oder eine Tatsache zu akzeptieren und sich ihrer anzunehmen. In Galicien sind diejenigen, die sich innerhalb meiner Generation für das Kastilische entscheiden, eine Ausnahme, und ich glaube, dass das in allen anderen „zweisprachigen“ Gemeinschaften Spaniens auch der Fall ist. Die mehrheitliche Tendenz unter den auf Kastilisch schreibenden Dichtern und Dichterinnen meiner Generation hingegen ist, zu denken, dass „spanische Poesie“ die ist, die auf Kastilisch geschrieben wird. Diese Haltung findet sich auch bei denjenigen, die Anthologien herausgeben sowie bei den Verlagen. Die jüngeren Generationen indes bemühen sich nun, diese Sichtweise zu ändern. Doch in der Regel wird auch heute noch davon ausgegangen, dass spanische Poesie auf Kastilisch verfasst ist. Das ist zweifellos eine ausschließende Haltung; und es wäre wünschenswert, dass es sie nicht gäbe. 

Mich betrifft die Sprachenvielfalt in jedem Falle; ich empfinde es als eine große Bereicherung, soweit möglich, Zugang zu so vielen poetischen Traditionen zu haben, mit denen ich fast alles gemeinsam habe. 

Cecilia Dreymüller: Im Falle, dass du eine zweisprachige Autorin bist: Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren an deiner Schreibpraxis geändert? Im Falle, dass du nicht zweisprachig bist: Hat sich dein Blick auf die anderen Sprachen Spaniens in den letzten zwanzig Jahren geändert? Nimmst du Bereicherung oder Ausschluss wahr? 

Chus Pato: Meine Wahrnehmung hat sich nicht geändert – was sich indes geändert hat, ist, dass in den letzten 20 Jahren der Zugang, das Lesen und das Kontakteknüpfen leichter geworden sind. All das ist im Vergleich zu der Zeit, in der ich jung war, viel einfacher geworden. Ich betone noch einmal, dass darin ein großer Reichtum liegt. 

Cecilia Dreymüller: Verfolgst du (poetische) Veröffentlichungen, die in anderen (Staats-)Sprachen verfasst sind? Findest du, dass die Übersetzungen in Spanien den Sprachaustausch im spanischen Staat auf eine gerechte Weise fördern? 

Chus Pato (c) Xoel Gómez

Chus Pato: Ich verfolge sie, soweit es mir möglich ist, Zugang zu ihnen zu bekommen. In dem Sinne sind auch die Übersetzungen so wesentlich. Sie sind tatsächlich noch sehr dünn gesät, was für den Austausch ein großes Manko ist. Dieses Manko sehe ich ebenso im Bereich der Preisvergaben und der staatlichen Sprachpolitik gegeben, in meinem Fall in Bezug auf Galicien. Ich empfinde es als sehr ungerecht, dass die großen vom Staat verliehenen Literaturpreise (der Reina Sofia-Preis oder der Cervantes-Preis) nicht an Dichter und Dichterinnen gehen können, die nicht auf Kastilisch schreiben. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Dichter und Dichterinnen selbst sehr darum kümmern, dass Orte des Austauschs entstehen; in dem Zusammenhang sind einige Festivals vorbildhaft. 

Cecilia Dreymüller: Ist das Schreiben in deiner Muttersprache ein politischer Akt? Inwiefern? 

Chus Pato: Auf jeden Fall. Auf Galicisch zu schreiben bringt ganz bestimmte Vorteile und Nachteile mit sich, die mit denen, die das Schreiben auf Kastilisch verursacht, nicht zu vergleichen sind. Ich habe mich für das Galicische entschieden, und zwar deswegen, weil ich die Situation, in der sich meine Sprache befand und weiterhin befindet, als sehr ungerecht wahrnehme und weil ich nicht weiß, womit diese zu rechtfertigen ist. Ich würde sagen, dass das Schreiben auf Galicisch dazu beiträgt, diese Ungerechtigkeit sichtbar zu machen und den vielen tausenden Sprechern und Sprecherinnen des Galicischen gerecht zu werden, denen es verwehrt war und immer noch verwehrt ist, in ihrer Sprache zu sprechen und diese an ihre Kinder weitergeben zu dürfen. 

Übersetzt von Rike Bolte. 

Mit Chus Pato