Sladjana Strunk: Was ist für Sie die einheimische Literatur und wodurch fühlen Sie sich an sie gebunden?
Dejan Ilić: Für mich ist die einheimische Literatur alles, was ich in der Sprache, die ich die meine nenne, lesen kann. Dazu zähle ich nicht nur mehrere Nationalliteraturen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, sondern auch alles, was in diese Sprache übersetzt wurde. In einer so verstandenen, nicht bloß abstrakt „einheimischen“ Literatur gibt es Bücher, die mich oder die Welt um mich herum verändert haben, die dazu geführt haben, dass ich die Welt mit anderen Augen sehe. Zu diesen Büchern gehören also jene, die in der Sprache, die ich die meine nenne, verfasst oder in sie übersetzt sind – sie alle. Da ich Herausgeber und Verleger bin, lebe ich diese sogenannte einheimische Literatur ja.
Sladjana Strunk: Für welchen Sprach- und Kulturraum schreiben Sie? Welches Publikum sprechen Sie an?
Dejan Ilić: Ganz ehrlich – ich weiß es nicht. Manchmal frage ich mich selbst, wo all die guten Menschen sind, mit denen ich über Texte reden möchte. Und ich stelle mir vor, sie sind irgendwie so wie ich, Menschen, die Ihre erste Frage in etwa so wie ich beantworten würden. Meine Leser, will sagen, jene, die die Bücher meines Verlags ‚Fabrika knjiga’, oder meine Texte, die regelmäßig auf den Portalen ‚Peščanik’ oder ‚Školegijum’ veröffentlich werden, meine Leser also sind mir ähnlich. Ich frage mich überhaupt nicht, wo sie leben, oder genauer, ich hoffe, sie leben woanders und nicht in Serbien oder Kroatien oder Bosnien und Herzegowina oder Montenegro oder Mazedonien (Mazedonisch kann ich doch auch lesen, auch das ist meine Sprache). Ich hoffe, dass sie nicht von all dem bedrückt werden, was uns hier in all diesen Ländern bedrückt.
Zum Projekt Spracharchipel I: EX-YU – Unsere Sprache(n)
Mit Dejan Ilić